Erfahrungsberichte

Operation Schmetterling - eine Naturaufstellung zum Coronavirus (Kurzfassung)

In einem bärlauchduftdurchtränkten Wald am Jurasüdfuss treffen sich an jenem kühlen Morgen Anfang März 2020 sieben Freunde. Nach zwanzig Jahren Erfahrung mit Naturaufstellungen kennen sie das grosse Potential dieser Methode, um die Dynamik von Systemen zu verstehen und um zu erkennen, wie Ungleichgewichte und Blockaden überwunden werden können. Wie viele Menschen mitbewegt und betroffen von Corona und seinen Auswirkungen, wollten wir einen Beitrag leisten - und wenn er noch so klein wäre wie der Flügelschlag eines Schmetterlings – damit die Krise zur Chance wird.

Unsere Fragestellung: Was braucht es jetzt, damit diese Corona-«Krise» tatsächlich den ersehnten Systemwechsel herbeiführen kann – hin zu einem Leben, das zusammenführt und nicht mehr weiter trennt? Und was können wir dazu beitragen?

Antworten ergeben sich bei Systemaufstellungen aus dem Befinden und vor allem aus den Interaktionen der repräsentierten Elemente, untereinander und mit der uns umgebenden Natur. Die Aufstellung wurde «doppelverdeckt» durchgeführt, d.h. die StellvertreterInnen wussten weder wofür sie stehen noch welche Elemente überhaupt repräsentiert werden, nur «der Fokus» (die Person, die die Fragestellung einbringt) war im Bild. So wurde sichergestellt, dass die StellvertreterInnen, tatsächlich das äussern, was sie von Moment zu Moment wahrnehmen und nicht was sie aufgrund Ihrer Vorstellungen und Konzepte darüber denken.

Folgende Elemente wurden durch die StellvertreterInnen repräsentiert, die lediglich ihre entsprechende Farbe kannten: Die Natur, das Coronavirus, die Angst, das Urvertrauen, die Menschen und differenziert dazu die Gleichgesinnten (all jene vielen Menschen, die wie wir sich nach einem Leben sehnen, das zusammenführt). Der Fokus stand für unsere gesamte Gruppe, die das Anliegen gemeinsam einbrachte.

Hier eine kurze Schilderung der wichtigsten Entwicklungen anhand von vier skizzierten «Episoden»:

1. Episode: Ausgangsbild und erste Bewegungen

Die Natur (grün), die Angst (rot) und das Coronavirus (weiss) werden vom Fokus in den Kreis geführt. Das Feuer, das während des Vorgesprächs ins Leben gerufen wurde, ist innerhalb des Kreises, es brennt, und offensichtlich gehört es dazu. Drei bedeutende Entwicklungen zu dieser Episode:

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Die Natur wird rasch zum Hüter des Feuers und «unterhält» sich mit ihm, indem sie kontinuierlich Holz nachlegt. Wie sich während der Aufstellung immer deutlicher zeigt, steht das Feuer für die Transformation.

Die Angst, offenbar auch angetrieben von einer Kraft ausserhalb des Kreises in Form eines Wurzelstock-Gnoms, geht zum Feuer und möchte ebenfalls Holz nachlegen, was von der Natur nicht toleriert wird.

Kaum im Kreis muss sich Corona hinlegen, der Rauch des Feuers zwingt es dazu. Seine innere Unruhe drängt es, wieder aufzustehen und umherzuirren, ohne Bezug und Interesse zu anderen Elementen.

2. Episode: Der Mensch kommt in den Kreis

Drei aufeinanderfolgende Phasen dazu: Anfänglich steht der Mensch aufrecht hinter der Natur und kommentiert selbstsicher, was er sieht. Der Natur missfällt dies. Sie erfährt «Braun» (die Menschen) als gehetzt und ausserdem «sprechen sie bevor sie denken!». Eingeschüchtert durch diese Rüge entfernen sich die Menschen zur gegenüberliegenden Seite des Kreises.

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Hier stehen die Menschen plötzlich viel näher bei Corona. Schlagartig werden sie von Kälte ergriffen, ihr ganzer Körper zittert und es wird noch schlimmer, sie glauben jetzt ihren Halt zu verlieren und in einen Abgrund zu stürzen. Sie verkünden ihre Not. Die Angst hörts und empfiehlt: «an einem Baum festhalten». Die Menschen versuchen’s, ohne Erfolg. Sie gehen zu Boden.

Bäuchlings legen sich die Menschen auf einen Wurzelstock vor ihnen und sofort werden sie ruhiger, das Zittern ist weg und auch das Wirrwarr in ihrem Kopf wird weniger. Während der Mensch durch die Krise geht, entdeckt die Natur eine schwarze Nacktschnecke, die sie auf genau jenen Wurzelstock legen wollte, auf dem die Menschen jetzt liegen.

3. Episode: Das Urvertrauen zeigt sich

Zentral in dieser Episode ist die Begegnung vom Coronavirus und dem Urvertrauen. Für Corona ist bisher alles unangenehm; der Rauch, seine innere Unruhe, der es keine Richtung geben kann, auch das Gefühl im Mittelpunkt zu stehen und ganz besonders störend findet es „immer diese Erwartungen von allen!!!“

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Das Urvertrauen (gelb) kommt in den Kreis, nimmt wahr was ist und steht dann ruhig da bis sich Corona von hinten nähert. Diese Annäherung ist vorerst bedrohlich, bis sich Urvertrauen und Corona in die Augen schauen. Je länger der Blickkontakt andauert, desto ruhiger und vertrauensvoller wird das Urvertrauen. Die unangenehmen Gefühle, die Corona bisher begleitet haben, sind wie weggeblasen, eine Freude und ein Gefühl von Ankommen steigt in ihm hoch, welche Wohltat!

4. Episode: Ums Feuer

Die Angst kniet zum Feuer und beginnt erneut in rascher Folge Stecken ins Feuer zu legen, die, kaum im Feuer, von der Natur wieder rausgenommen werden. Corona setzt sich zum Feuer (der Transformation), ebenso wie das Urvertrauen, das drei Stöcke aus dem Laub zieht und diese an die Angst, die Natur und an Corona verteilt. Laut denkend: «Ich weiss nicht genau weshalb ich das mache, irgendwie habe ich das Bedürfnis, einfach etwas Gutes zu tun». Der Natur gefällt’s sehr, dass das Urvertrauen gekommen ist.

Jetzt erst werden auch «die Gleichgesinnten» (blau) in den Kreis geführt. Für sie war schon lange vor ihrem Eintreten klar, dass sie sich mit der Angst beschäftigen möchten. Jetzt, neben der Angst kniend, sagen sie zur versammelten Runde, dass die Angst nicht ausgeschlossen werden darf, es wichtig sei mit ihr zu kooperieren. Der Angst tut es gut, dass die Gleichgesinnten neben ihr knien. Sie beginnt mit dem Stecken, den sie vom Urvertrauen erhalten hat, einen Rhythmus zu klopfen. Sie ist verwundert, warum sie jetzt so fröhlich und unternehmungslustig ist; sie fühlt sich leicht und ist froh, zu sehen, dass es den Anderen, vor allem Corona und dem Gnom, gut geht. Sie fühlt sich auf irgendeine Weise dafür verantwortlich. Alle, die am Feuer sitzen, beginnen den gleichen Takt zu schlagen wie die Angst. Dem Urvertrauen gefällt das gemeinsame Trommeln sehr, weil da etwas Kollektives geschaffen wird, das harmonisiert. Auch der Kreis ist ihm wichtig, weil im Kreis die Hierarchien aufgehoben sind.

Erst kurz vor Schluss der Aufstellung kommt auch der Fokus als Stellvertreterin unserer Gruppe in den Kreis (pink). Als Erstes holt sie die Menschen ans Feuer und führt sie in die Lücke zwischen Urvertrauen und Angst. Jetzt, wo auch die Menschen am Feuer sitzen, gibt die Natur den Rhythmus vor. Hier am Feuer und zugehörig, lassen die Menschen auch ihre Trauer zu und weinen. Das Urvertrauen, das hinter die Menschen sitzt, nimmt sie in die Arme und das ist den Menschen sehr angenehm. Der Fokus setzt sich zwischen die Menschen und die Angst und macht den Kreis so komplett. Sie tröstet die Menschen und legt der Angst die Hand auf‘s Knie. Das Urvertrauen sagt zu den Menschen: „Es ist gut“ und die Menschheit wiederholt: „Es ist gut, ich brauche einfach noch Zeit. Aber ja, es ist gut.“

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Erkenntnisse

Was haben wir zu unserer Fragestellung gelernt? Zum ersten Teil des Anliegens: «Was braucht es jetzt, damit diese Corona-«Krise» tatsächlich den ersehnten Systemwechsel herbeiführen kann – hin zu einem Leben, das zusammenführt und nicht mehr weiter trennt?»:

Vorab: Das Schlussbild, alle gemeinsam ums Feuer (Episode 4) stimmt zuversichtlich, dass eine Transformation im Einklang mit der Natur grundsätzlich möglich ist. Wie kam es zu diesem Schlussbild?

  • Die Natur muss oberste Leitlinie für unser Verhalten sein! Sie kennt die richtigen Rhythmen der Transformation, sie kennt das Mass. Wenn wir die Natur in ihrer ganzen Klarheit nicht bewusst wahrnehmen, wird die Transformation nicht in die gewünschte Richtung gehen.
  • Die Angst und das Urvertrauen sind für unsere persönliche, aber auch gesellschaftliche Genese zentral. Wir müssen auf den Kern unserer Ängste schauen, sie annehmen und damit wir dies wirklich können, braucht es das Urvertrauen. Urvertrauen meint hier «Das Leben voll bejahen können und zum Leben gehört auch der Tod.».
  • Corona ist nicht mit einer bestimmten Absicht zu uns gekommen. Die Stellvertreterin von Corona war wohl unruhig, jedoch planlos und ohne Eigeninitiative. Seine Begegnung mit dem Urvertrauen hat aber zu einer Wende im ganzen System geführt. In gewissem Sinne hat Corona das Urvertrauen erst erweckt. Man könnte sagen, Corona hat keine Absicht, aber eine grosse Wirkung.
  • Für die Menschen ist es hart, wir müssen loslassen. Erst im Kontakt mit dem Boden und dann vor allem mit dem Urvertrauen, können wir einer lebensbejahenden Transformation zustimmen.

Was wir als Gruppe und gemeinsam mit vielen Gleichgesinnten zur Transformation beitragen können (zweiter Teil der Fragestellung)?

  • Wir sind aufgerufen, unsere eigenen Ängste anzuschauen und unsere Mitmenschen zu unterstützen, dies auch zu tun. Dabei müssen die treibenden Kräfte hinter der Angst entdeckt und anerkannt werden, damit wir uns von ihr nicht einnehmen lassen.
  • Als Gruppe von «NaturaufstellerInnen» sind wir gefordert mitzuhelfen, dass «die Stimme der Natur» tatsächlich gehört und anerkannt wird! Naturaufstellungen sind eine wunderbare Möglichkeit für echte Dialoge mit der Natur.
  • Und nicht zuletzt fördert jede Naturaufstellung unsere Gewissheit, dass wir tatsächlich Teil der Natur sind, unmittelbar mit ihr verbunden und das ist die Basis des Urvertrauens!

Zum Schluss bleibt zu sagen: Wir wurden geführt! Wie es zu dieser Aufstellung kam, wo sie sich ereignete, wie das Anliegen sich formte und natürlich auch wie sich die TeilnehmerInnen fanden, war erstaunlich. Wir haben einfach mitgespielt, haben uns eingelassen auf unsere gesamte Mitwelt, auf das, was sich von Moment zu Moment zeigt.

Da war dieser lichte Bärlauch-Wald, der wirkte wie ein Garten, wunderbare Stimmungen des Ahnens und des Erkennens. Darin unsere Gruppe, vereint in dieser besonderen Zeit. Schmetterling ist ein treffendes Wort für das delikate und zugleich kraftvolle "Zünglein an der Waage", das in dieser "Zeit der offenen Türe" uns allen sich präsentiert, wenn wir nur das Vertrauen haben in die Natur, ineinander und in uns.

In grosser Demut und Dankbarkeit für die Natur und alle Kräfte, die uns begleitet haben.

Text: Berchthold Wasser & Nicole Imesch
Bilder: Menel Rachdi
Im April 2020

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